Luiz Tencatt und die IG BSSW

Eines fernen Tages vereinten eine Gruppe Aquarianer und ein wahnsinniger Wissenschaftler ihre Anstrengungen und erforschten die noch unentdeckten Mysterien des Rio Correntes in Zentralbrasilien, Teil 1 dieser langen Geschichte…

Der Erfolg meiner guten Beziehungen zu Aquarianern ist gerade nur zu ersichtlich. Ich habe es schon oft erzählt, aber möchte es hier noch einmal mehr tun: Alles begann 2013 mit der wissenschaftlichen Beschreibung von Corydoras lymnades. Ich kontaktierte Ian Fuller und Hans Evers um über diesen hübschen kleinen Corydoras aus dem Rio São Francisco – Einzug zu reden, und dank dieser Idee begann ein unerhoffter reger Austausch. Aus formellen Mails wurden schnell kurze Nachrichten, immer regelmäßigere Austausche fanden statt und es entstanden wunderbare Freundschaften. Später traf ich weitere, großartige Leute aus dem Hobby, so wie Rob McLure, Steven Grant, Ingo Seidel, Markus Kaluza und auch Daniel Konn-Vetterlein, dem ich diesen kleinen Text widmen möchte.

Corydoras eversi „C 65“ © Daniel KONN-VETTERLEIN

Fruchtbare Diskussionen, erste Lebendbilder und Diskussionen über Taxonomie sowie Biologie der Corydoradinae waren die ersten Ergebnisse vieler Unterhaltungen. Aber das änderte sich als ich 2017 erstmalig von der Catfish Study Group nach Wigan, England eingeladen wurde. Einmal dort war es kein Hexenwerk mehr auch das Natural History Museum in London (BMNH) zu besuchen und dank dieses Besuchs konnte ich alle dort hinterlegten Corydoradinae Typenexemplare zu meiner eigenen „taxonomischen Datenbank“ hinzufügen – dem Grundstein meiner Arbeit.

Selbiges gelang mir in den USA (gehostet von Michael Barber) und Deutschland (gehostet von Hans Evers und Ingo Seidel). Obwohl ein Besuch des Berliner Museums aus merkwürdigen Gründen nicht möglich war, haben Hans und Ingo mir mit Bildern von Typenexemplaren, Büchern, Artikeln und richtig viel Essen sowie natürlich dem ein oder anderen Bier sehr viel geholfen.

All das Genannte war und ist ungemein wichtig, aber 2016 erreichten wir ein anderes Level der Zusammenarbeit. Hans schickte mir einige Individuen aus dem Madre de Dios – Einzug (Rio Madeira), inklusive des beliebten CW32. Gut konservierte Fische, tolle Lebendfotos (juvenil bis adult) und Biotopinformationen führten zur Beschreibung von Corydoras knaacki (TENCATT & EVERS, 2016) in der Neotropical Ichthyology. Einer der weltweit angesehensten Hobbyisten und ich haben diesen Fisch zusammen beschrieben. Wie jeder weiß ist CW32 nicht die einzige neue Art aus der Madre de Dios – Region, und weitere gemeinsame Publikationen sind momentan in Arbeit.

Corydoras granti „C 20“ (Weibchen) © Steven GRANT

Hans Evers ist unnachgiebig und immer beschäftigt, so wurde ihm zu Ehren ebenfalls 2016 eine neue Art beschrieben, die er selber gefangen, vorgestellt (C65), vermehrt und verbreitet hat: Corydoras eversi (TENCATT & BRITTO, 2016). Ein weiteres gutes Beispiel ist die Beschreibung von Corydoras granti (ehemals C20): Steven Grant hinterfrug die Identität von Corydoras arcuatus kritisch, woraus ein Artikel für das CSG-Journal wurde. Der Kontakt zu Steven brachte mich dazu die Taxonomie um C. arcuatus erneut zu untersuchen und das alles führte zur Beschreibung oben genannter Art (TENCATT, LIMA & BRITTO, Journal of Fish Biology, 2019).

Wenn Sie jetzt glauben das sei das Beste was möglich wäre, dann liegen Sie falsch! Im Jahr 2017 führte eine 15tägige Expedition uns von Coxim in Mato Grosso do Sul, wo ich aktuelle lebe und arbeite, nach Alto Araguaia und dann Primavera do Leste, beides in Mato Grosso. Ziele waren das obere Paraguay-Becken und das obere Rio Araguaia-Becken, genauer gesagt der Rio das Mortes-Einzug. Diesen Ort hebe ich mir für einen späteren Artikel für die IG BSSW auf, aber es war vielleicht einer der besten Orte, an denen ich bisher Fische gefangen habe.

Corydoras granti „C 20“ (Männchen) © Steven GRANT

Fokussieren wir uns jedoch erstmal auf den Einzug des oberen Rio Paraguay, es lohnt sich! Hans besuchte mich im September 2017. Er fragte nach schönen Orten und ich hatte natürlich einen parat, den Rio Correntes! Selbstverständlich war er einverstanden. Innerhalb weniger Minuten fingen wir zwei möglicherweise unbeschriebene Astyanax spp., zwei anscheinend unbeschriebene Hypostomus spp. und noch so viel mehr. Im Labor stellte sich später heraus, dass es sich wirklich um zwei unterschiedliche Arten handelte: Der stachlige Typ, prinzipiell eher einem Neoplecostominae ähnelnd, und eine andere Form, die beinahe wie eine Miniaturform von Hypostomus ancistroides aus dem oberen Rio Paraná aussieht, bzw. wie der sympatrisch lebende H. careopinnatus, aber mit Adipose. Jeder Netzzug brachte nun Neues hervor, wie das Highlight der Expedition: Ein Heptapteridae der nicht nur aussieht wie ein chinesischer Drache, sondern auch eine neue Gattung repräsentiert, wie Flávio Bockmann später bestätigte.

Der Rio Correntes ist ein großer Fluss, und zahlreich an kleinen bis mittelgroßen Zuflüssen. Wir haben erst einen untersucht. Was ist wohl noch alles möglich mit einer genaueren Untersuchung dieses Gebietes? Und hier kommt die IG BSSW ins Spiel. Dank der großzügigen Spende ist es uns nun möglich weitere Abschnitte zu besuchen und wissenschaftlich zu erforschen. Biotope wie Fische werden untersucht und fotografiert werden. Jetzt liegt es an mir meinen Teil der Abmachung zu erfüllen und für viel neuen Lesestoff im BSSW-Report zu sorgen. Bis bald, mit sicherlich tollen Neuigkeiten!

Zusatz von Daniel KONN-VETTERLEIN

Die IG BSSW hat sich im Mai 2019 dazu entschlossen Luiz TENCATT und seine Arbeit finanziell zu unterstützen. Die Fördergelder für Wissenschaftler in Brasilien sind noch nie besonders umfangreich gewesen, seit dem letzten politischen Umschwung jedoch beinahe gänzlich verschwunden. In der Vergangenheit hat sich bereits gezeigt, dass die Zukunft unseres Hobbys in einer starken Zusammenarbeit von Aquarianern und Wissenschaftlern liegt, die wir auf diese Art und Weise weiter fördern möchten. Über die Entdeckungen wird im BSSW-Report zu lesen sein.

Text: Luiz Fernando Caserta TENCATT – Übersetzung: Daniel KONN-VETTERLEIN – Bilder: Steven GRANT und Daniel KONN-VETTERLEIN

Kommentar verfassen