RG Niedersachsen: Der Rio Xingu – Mehr als Welse und Staudämme

Am 15.3.2014 traf sich die Regionalgruppe Niedersachsen in Langenhagen, um sich über ein Thema zu informieren. Es ging um den Umstand, der die Aquaristik, insbesondere die Fans der L-Welse sehr beschäftigt, das Staudamm-Projekt am Rio Xingu in Brasilien. Unser Regionalgruppen-Kollege Volker Libuda berichtete uns in seinem Vortrag “Der Rio Xingu – Mehr als Welse und Staudämme” weiteres…

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Schriftliche Kurzzusammenfassung (Abstract) des Vortrages, gehalten von Volker Libuda, am 15.3.2014, anlässlich des Treffens der BSSW-Regionalgruppe Niedersachsen

Flusslauf

Der Rio Xingu bildet sich im nördlichen Teil der Hochebene von Mato Grosso durch die Vereinigung der Flüsse Ronuro und Culuene, wobei der Unterlauf des letzteren oft schon als Xingu angesehen wird. Das Quellgebiet des Xingu ist geprägt durch undurchdringliche Wildnis, ausgedehnte Sumpfgebiete und zahlreiche Seen. Von hier aus durchquert der Xingu über etwa 1980 Kilometer in mehreren großen Bögen in nördlicher Richtung die brasilianischen Bundesstaaten Mato Grosso und Pará, bevor er schließlich bei Porto de Moz in den unteren Amazonas mündet.
Der Xingu ist charakterisiert durch Stromschnellen (Cachoeira) und Wasserfälle, die durch das Ausstreichen von paläozoischen Schichten im Süden des Amazonasbeckens gebildet werden. Über eine Milliarde Jahre altes Granit fliesst hier in dieser Form einzigartiges Klarwasser! Die Wasserwerte sind leicht weich, sauer und warm.

Geschichte

Der Rio Xingu war bis zur Erforschung durch den Arzt, Ethnologen und Forschungsreisenden Karl von den Steinen in den Jahren 1884 und 1887 zwar bekannt, aber über den Verlauf des Flusses und dessen Bewohner waren nur wenige Informationen vorhanden. Von den Steinen stammt aus Mülheim/Ruhr, kam von einer Forschungsreise in der Antarktis und war u. a. als Ethnologe tätig. Buch: „Durch Zentralbrasilien.“ Nach der Eroberung des Kontinents durch die Europäer war es als erster 1541/42 der Spanier Francisco de Orellana, der den unteren Amazonas befuhr, erforschte und erschloss. Bis 1666 war auf einer Karte im Jansson’schen Atlas, die etwa um 1630 entstand, lediglich der Verlauf bis zu eingetragenen „Wasserfällen“ verzeichnet. Im Jahre 1843 unternahm Prinz Adalbert von Preußen eine Reise auf dem Rio Xingu flussaufwärts, bis zu einer Niederlassung namens Piranhacoara. Von ihm stammen die ersten zuverlässigen, für eine Karte brauchbaren Informationen, zu diesem Fluss. Der restliche Verlauf des Rio Xingu war bis zur Erforschung durch Karl von den Steinen terra incognita.

Etymologie

1637 wurde der Rio Xingu durch Christoval de Acuna, einem Begleiter von Pedro Teixeira, der die Reise des Francisco de Orellana, in umgekehrter Richtung von der Mündung nach Quíto, vornahm, Paranahyba („klarer Fluss“) genannt. In einer Beschreibung des Mauricio de Heriarte (1662–67) wird der Fluss Paranaiba genannt. In den Karten des Paters Samuel Fritz, welche die Kenntnis vom Strohm Maragon um 1700 wiedergibt, ist der Rio Xingu mit dem Namen Aoripana eingezeichnet. Auf der Karte befindet sich zudem ein Dorf Xingu, welches später zur Namensgebung des Flusses, Pate stand. Weitere Schreibweisen waren Paranyba und Paranatinga.
Karl von den Steinen bevorzugte die phonetische Schreibweise, die er auch in der von Bettendorf verfassten Chronik der Jesuiten (im Staate Maranhao von 1661 bis etwa 1694) vorfand.

Staudammprojekt

Bereits Ende der 1980er Jahre hatte es unter der damaligen Regierung Brasiliens Pläne gegeben, den Rio Xingu aufzustauen und zur Elektrizitätsgewinnung zu nutzen. Der Protest der von Vertreibung bedrohten indigenen Völker in Altamira im Februar 1989 hatte zu internationalen Protesten geführt und das Staudammprojekt schließlich scheitern lassen.
Die brasilianische Regierung unter Präsident Lula da Silva reaktivierte in ihrer zweiten Amtszeit das Projekt, am Rio Xingu das riesige Wasserkraftwerk Belo Monte zu errichten, in modifizierter Form. Mehr als 400 Quadratkilometer Regen- und Uferwaldgebiete mit den dort lebenden Menschen sind durch diesen weltweit drittgrößten Staudamm zur Elektrizitätsgewinnung bedroht. Über drei Talsperren soll der Fluss zu zwei Stauseen mit einer Fläche von zusammen etwa 516 km² aufgestaut werden, entsprechend in etwa der Größe des Bodensees. Das Bauvorhaben ist staatlich, halbstaatlich, der Bau von Alumimiumhütten mit norwegischem Geld schon angelaufen. Eine Hochenergietrasse bis zur Hauptstadt Brasilia istgeplant, evtl. auch darüber hinaus.
Der geplante Stausee soll nahe der Stadt Altamira im Bundesstaat Pará entstehen. Von Altamira flussabwärts bis Vitória do Xingu zieht der Xingu eine weite Schleife von etwa 100 km Länge mit geringem Gefälle. Durch Aufstauen und mit Hilfe von zwei Kanälen soll ein künstlicher Durchbruch durch diese Schleife – quasi eine “Abkürzung” – mit erhöhtem Gefälle entstehen. Diese Fallhöhe, 89,3 Meter, soll zur Stromerzeugung genutzt werden. Die Schleife wird trockenfallen, insgesamt werden etwa 200.000 Menschen von den Stauseen betroffen sein, viele davon indigenen Volksgruppen angehörig.

Aquaristisch interessante Tierwelt

Die Harnischwelse des Rio Xingu, allen voran der Hypancistrus zebra sind legendär und sowohl im BSSW als auch in weitergehender aquaristischen Literatur ausgiebig behandelt. Insgesamt sind etwa 600 Fischarten bekannt, 300 davon unbeschrieben, 60 endemisch, viele wohl auch unentdeckt. Man spricht auch von Süsswasserriffen in Teilen des Xingu, diese sind weigehend unerforscht.
Hier nun die kurze Nennung von einigen hochspannenden Fischen aus dem Xingu:

  • Bei den Aracu ist teilweise nicht einmal eine auch nur grobe Namensnennung möglich, hier möchte ich mich auch nicht in die Nesseln setzen oder Copyright geschütztes Material verwenden.
  • Leporinus spec. gibt es sehr interessante, von Jens Gottwald eingeführt ist der Crenicichla sp. Orange. Die hübschen „weissweinfarbenen“ Salmler, die er vor ca. 10 Jahren einführte haben das Hobby m.W. schon wieder verlassen.
  • Moenkhausia „Xingu“ ist ein bezaubernder Salmler, auch der unvermeidliche Heiko Bleher hat hochinteresannte Salmler im Oberlauf gefangen.
  • Michael Schlüter /Hamburg hat mit Plesiolebias „altamira“ einen wunderhübschen kleinen Fisch vermehrt.
  • Unter den Pacus kommt im Xingu eine Art vor, die optisch schon fast an Skalare erinnert, mit ihren hoch ausgezogenen Flossen.

Wie sich die Tierwelt entwickeln wird nach der Fertigstellung der Staudämme lässt sich schwer abschätzen, mit sehr grossen Umwälzungen ist zu rechnen. Aus aquaristischer Sicht sicherlich nicht zum Guten.
Drei Literaturempfehlungen (die zusammen einen sehr guten ersten Eindruck vermitteln):
Die unzähligen Zeitungsartikel und Internetlinks aufzuzählen, würde den Rahmen hier sprengen. Sie sind bei tatsächlichem Interesse bei dem Autor zu erfragen.

  • Loricariids of the Middle Rio Xingu – Loricariiden des mittleren Rio Xingu von Mauricio Camargo, Heriberto Gimênes Junior, Leandro Melo de Sousa & Lucia Rapp Py-Daniel. 2. Auflage von Christian Cramer, Daniel Konn-Vetterlein & Andreas Tanke; Wedemark 2014
  • The Smithsonian Atlas of the Amazon [Englisch] von Michael Goulding, Ronaldo Barthem, Efrem Ferreira Washington, 2003
  • Zusammenfassender Überblick über die Erforschung des Rio Xingu und seiner Bewohner (1750–1983) von: Günther Hartmann (Hg.): Berlin, Staatliche Museen, 1986.

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