Weitere Schmerlen in Myanmar – Teil 2: Von Hsipaw nach Magwe

von Dr. Rainer Hoyer, Leipzig, erhalten am 17.09.2012
Auf dem Rückweg von Hsipaw nach Mandalay bogen wir in der Stadt Kyaukme in Richtung Mogok ab. Unser Fahrer Tan Thun sagte uns schon, dass wir nicht bis Mogok fahren könnten, denn dort sei Sperrzone. Ähnliches hatte uns bereits Tin Win in Yangon mitgeteilt. Wir wollten einfach so weit fahren, wie es möglich sein würde. Bereits nach 15 Kilometer stießen wir auf einen interessanten Bach (Abb. 1) mit kristallklarem Wasser. Er war recht flach, durchsetzt mit einzelnen Kolken, floss jedoch ziemlich rasch. Er hatte eine Breite von ungefähr 20 Metern und zeigte einen grobkiesigen Untergrund, durchsetzt mit zahlreichen größeren, rund geschliffenen Steinen und Felsbrocken.

Abb. 01: Der Bach bei Mai Tein beherbergte ….

Abb. 01: Der Bach bei Mai Tein beherbergte ….

Jetzt in der Trockenzeit war er lediglich zirka 50 Zentimeter tief. Die Verfolgung bei Google Earth zeigte, dass er letztendlich in den Dot Hta Waddy entwässert und damit zum Ayeyarwaddy-Becken gehört. Die Ortslage ist bei Google mit Namsaw angegeben. Tan Thun nannte uns seinerzeit die Bezeichnung Mai Tein. Wie üblich wurden die Wasserwerte bestimmt:
Datum:
Uhrzeit
15.11.2011
10:10 Uhr
Ort: Mai Tein
GPS-Informationen: 22° 32′ 09.33“ N
96° 56′ 25.37“ O
pH: 6.8
Leitfähigkeit: 80 µS/cm
GH: 3.0 °dH
KH: 2.5 °dH
Wassertemperatur: 19.3 °C
Lufttemperatur 23.8 °C

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Das Wasser war hier also recht weich. Die Temperatur zeigt, dass wir uns zum einen in den Bergen – bei Google Earth lässt sich eine Höhe von 714 Metern ablesen – und doch schon ziemlich weit nördlich in den Subtropen befanden. Neben den in Myanmar weit verbreiteten Schlangenkopffischen Channa striata (Bloch, 1793), die auch hervorragend schmecken und Mastacembelus armatus Lacepède, 1800, fingen wir hier die Odessa-Barbe Puntius padamya Kullander & Britz, 2008, einen interessanten Danio sp. mit rötlichen Flossen und eine Glyptothorax-Art.Das Fließgewässer bot natürlich auch ideale Bedingungen für Schmerlen. Der kiesig-steinige Untergrund ergab zahlreiche Ruheplätze und Versteckmöglichkeiten. Hier konnten folgende Arten nachgewiesen werden:
Schistura sp. (Abb. 2), Pteronemacheilus meridionalis (Zhu, 1982) (Abb. 3 und 4)

Abb. 02: … Schistura sp. von Mai Tein …

Abb. 02: … Schistura sp. von Mai Tein …

Abb. 03:… sowie Pteronemacheilus meridionalis,

Abb. 03:… sowie Pteronemacheilus meridionalis, Weibchen …

Abb. 04: … und Pteronemacheilus meridionalis, Männchen.

Abb. 04: … und Pteronemacheilus meridionalis, Männchen.

Bohlen schreibt zur letzteren Art:

„Das Vorkommen dieser Art im Dot Hta Waddy und speziell westlich von P. lucidorsum war für mich eine große Überraschung, denn bislang war die Art nur aus dem Mekong-Gebiet in Yunnan (China) und Laos bekannt. Die Art kommt in Yunnan auch im Einzugsgebiet des Salween vor (Bohlen, unpubl. data), wurde aber bislang noch nicht im Irrawaddy-Gebiet gefunden. Also sah es bis zu unserer Reise so aus, dass meridionalis den östlichen Teil des Verbreitungsgebietes von Pteronemacheilus innehat und lucidorsum den westlichen Teil. Für die Trennung der beiden Schwesterarten wäre in diesem Szenario die Wasserscheide zwischen den Flusssystemen verantwortlich. Mit den neuen Funden von meridionalis westlich von lucidorsum wird die Sachlage deutlich komplizierter, eventuell haben sich die beiden Arten erst im oberen Dot Hta Waddy in direkter Nachbarschaft getrennt.P. meridionalis ist übrigens ein nettes Beispiel für einen irreführenden Namen. Die Art wurde als Physoschistura meridionalis beschrieben, d.h. die südliche Physoschistura, war allerdings zu dem Zeitpunkt der am weitesten im Norden lebende Vertreter dieser Gattung. Wie kam es dann zu diesem Namen? Die Art wurde von chinesischen Ichthyologen beschrieben, und da sie im Süden Chinas vorkommt, bekam sie den Namen ‚die südliche‘.“

Alle beiden Arten hatten wir bisher nicht fangen können. Insofern hatte sich der Abstecher durchaus gelohnt. Auf Grund der fortgeschrittenen Zeit fuhren wir dann nicht weiter. Diese Entscheidung hatten wir allerdings auch wegen der vor uns liegenden schwierigen Wegstrecke (Abb. 5) getroffen.

Abb. 05:Serpentinen in den Bergen

Abb. 05:Serpentinen in den Bergen

Abb. 06: Die Straße wurde immer schlechter.

Abb. 06: Die Straße wurde immer schlechter.

Nach einem Zwischenstopp in Mandalay zur Übernachtung fuhren wir weiter nach Magwe. Hier ein Tipp außerhalb des Hobbys: Wer je nach Mandalay kommt, sollte unbedingt im „Golden Duck“ zum Abend eine geröstete Ente essen – köstlich. Die Vorbestellung des Tisches ist erforderlich. In Magwe hatten wir zwei bernachtungen eingeplant, denn wir wollten am Folgetag von dieser Hauptstadt der Magwe Division in Richtung Rakhine Mountains fahren.

Die Straße war anfangs recht ordentlich, das sollte sich aber im Bergland recht bald ändern (Abb. 6). Der Weg war aus den Bergen gefräst und hatte einen Untergrund aus Laterit, der nur unzureichend befestigt war. Wir hatten uns als Ziel den Goat Chaung gesetzt, der sich am jenseitigen Abhang der Rakhine Mountains befinden sollte. Schließlich streikte aber unser Fahrer und verweigerte die Weiterfahrt.

Es war inzwischen auch Mittagszeit und er sah wohl die Möglichkeit eines Lunchs schwinden. Der Ehrlichkeit halber muss man aber sagen, dass die Straße wirklich fürchterlich war. Die Nachfrage bei Einheimischen ergab auch keine Informationen über befischbare Bäche oder Flüsse in der näheren Umgebung, so dass wir zähneknirschend umkehren mussten. Wir hatten aber auch die letzten 25 Kilometer Wegstrecke – Luftlinie waren es höchstens zehn bis zwölf Kilometer – keine Wasserläufe gefunden. Die erneute Nachfrage auf dem Rückweg ergab schließlich, dass es nahe Datkon einen Bach namens Goat Chaung geben sollte. Sicher handelte es sich nicht um den von uns gesuchten, aber es war immer noch besser, als vollkommen ergebnislos zurückzufahren.

Dort angekommen, sahen wir von der Brücke einen kleinen Bach (Abb. 7), der in der Ferne in einen größeren mündete. Tan Thun machte sich spornstreichs auf, seinen Lunch zu sich zu nehmen und wir gingen an die Arbeit. Dabei gab es eine klare Arbeitsteilung. Der Jüngste – Dr. Jörg Bohlen – musste die Fische fangen und der Älteste machte die Fotoaufnahmen und die Wasseruntersuchungen. Das hatte in diesem Fall den großen Vorteil, dass ich mich in der Mittagshitze im Schatten der Brücke aufhalten und gute Ratschläge für den Fang geben konnte…

Abb. 07:Der Goat Chaung bei Datkon.

Abb. 07:Der Goat Chaung bei Datkon.

Der Bach war auch hier kiesig-sandig, mit zahlreichen größeren Felsbrocken durchsetzt. Er floss recht schnell. Jetzt in der Trockenzeit war er zwischen einem und drei Meter breit und 50 bis stellenweise nur wenige Zentimeter tief. In der Regenzeit werden sich diese Werte vervielfachen, wie auch die Abbildung erkennen lässt. Die hohe Wassertemperatur setzte uns doch einiger Maßen in Erstaunen und verführte zu der Annahme, es könnte in der Nähe heiße Quellen geben.

Die Einheimischen verneinten das jedoch, so dass der Grund unklar bleiben musste. Wasserpflanzen oder überhängende Gräser konnten nicht festgestellt werden. Die einzige Deckung bot lediglich der reich strukturierte Untergrund. Neben zwei verschiedenen Garra-Arten, eine davon Garra poecilura Kullander & Fang, 2004, für die zweite steht die Zuordnung nicht fest und einem Barilius sp. fingen wir auch eine Channa-Art, bei der es sich um eine bisher unbeschriebene handeln soll (persönliche Mitteilung Dr. Ralf Britz über Christian Kanele). In diesem idealen Schmerlengewässer gingen uns natürlich auch solche ins Netz. Es handelte sich dabei um: Acanthocobitis zonalternans ( Blyth, 1860) (Abb. 8), Schistura sp. (Abb. 9), Schistura vinciguerrae (Hora, 1935) (Abb. 10) Acanthocobitis zonalternans hatten wir schon in einem früheren Beitrag vorgestellt.

Abb. 08: Hier fanden wir Acanthocobitis zonalternans …

Abb. 08: Hier fanden wir Acanthocobitis zonalternans

Abb. 09: … Schistura sp. vom Goat Chaung …

Abb. 09: … Schistura sp. vom Goat Chaung …

Abb. 10: … und Schistura vinciguerrae.

Abb. 10: … und Schistura vinciguerrae.

Die restlichen beiden Schmerlen waren in unseren Aufsammlungen neu, wobei es sich bei Schistura vinciguerrae um einen recht hübschen Vertreter handelt. Bohlen (persönliche Mitteilung) merkt dazu an, dass die Art auf Grund der Pigmentierung mit sehr dünnen Bändern auf der vorderen Körperhälfte und den breiten Bändern in der hinteren Hälfte Schistura mahnerti Kottelat, 1990 (Salween- und Mae Klong) und Schistura poculi (Smith, 1945) (Salween, Mekong, Chao Phraya) ähnlich sei. „Es gibt also wieder die Hypothese, dass eine Art im Irrawaddy-System die Schwesterart zu Vertretern im Salween-Mekong-Gebiet ist.

S. vinciguerrae und S. mahnerti tauchen gelegentlich im Handel auf und können verwechselt werden. Man unterscheidet am sichersten die Männchen, da die von S. mahnerti einen Unteraugenlappen tragen, jene von S. vinciguerrae nicht.“ Wenige Meter weiter mündete der Goat Chaung in den Man Chaung (Abb. 11), wie wir später in Erfahrung bringen konnten. Der Fluss zeigte sich an dieser Stelle zweigestaltig. Flussaufwärts (Abb. 12) von unserem Standpunkt an der Einmündung des Baches war er recht tief und floss nicht sonderlich rasch. Hier war der Bodengrund sandig, durchsetzt mit kleineren Kieseln. In der stärkeren Strömung gab es aber auch Kies und Felsbrocken. Flussabwärts (Abb. 13) dagegen war er deutlich flacher und floss sehr rasch über kiesig-felsigen Untergrund.

Abb. 11: Die Mündung des Goat Chaung in den Nam Chaung

Abb. 11: Die Mündung des Goat Chaung in den Nam Chaung

Abb. 12: Der Nam Chaung war flussaufwärts tiefer …

Abb. 12: Der Nam Chaung war flussaufwärts tiefer …

Abb. 13: … und floss flussabwärts deutlich rascher.

Abb. 13: … und floss flussabwärts deutlich rascher.

Jörg fischte vor allem im langsamer fließenden Bereich. Dieser Fluss wird in der Regenzeit deutlich höher ansteigen und sehr viel mehr Wasser führen. Auch hier wollen wir die Wasserwerte mitteilen: (siehe Tabelle)
Datum:
Uhrzeit
17.11.2011
12:00 Uhr
Ort: Goat Chaung
GPS-Informationen: 19° 54′ 59,66“ N
94° 30′ 06,12“ O
pH: 7.8
Leitfähigkeit: 470 µS/cm
GH: 9.5 °dH
KH: 7.0 °dH
Wassertemperatur: 29.4 °C
Lufttemperatur 26.2 °C
Die Wassertemperatur lag im Fluss wesentlich tiefer als in dem Bach und bewegte sich in einem Bereich, der in dieser Gegend erwartet werden kann. Hier wurde eine Vielzahl von Fischen gefangen. Darunter waren drei verschiedene Arten Glyptothorax, deren Artzugehörigkeit noch nicht endgültig feststeht, Mystus sp., Akysis sp., Amblyceps cf. mangois, Badis ferrarisi Kullander & Britz, 2002, Mastacembelus armatus (Lacepède, 1800), Parambassis sp., eine größer werdende silberfarbene Barbe, Channa gachua Hamilton, 1822 sowie Garra poecilura, die wir schon im Goat Chaung gefangen hatten.

An Schmerlen fingen wir hier Homalopteroides smithi (Abb. 14), die damit einer anderen Art angehört, als wir früher (Hoyer 2010) bereits vorgestellt hatten. Außerdem fingen wir mit Psilorhynchus piperatus Conway & Britz, 2010 eine Spindelschmerle. Diese bilden eine eigene Familie, die Psilorhynchidae und sollen nach Wikipedia näher mit den Karpfenartigen als mit den Schmerlen verwandt sein. Slechtova u. a. (2007) weisen sie auf der Grundlage nukleargenetischer Untersuchungen klar den Cyprinoidae zu.

Abb. 14: Homalopteroides smithi

Abb. 14: Homalopteroides smithi

Abb. 15: Psilorhynchus piperatus

Abb. 15: Psilorhynchus piperatus

Sie sind damit lediglich nach dem deutschen Namen Schmerlen, sollen hier aber mit vorgestellt werden. Interessant ist vielleicht, dass wir gerade die Typuslokalität für diese Art gefunden hatten, wie wir später feststellten. Damit hatten wir weitere, bisher von uns nicht vorgestellte Schmerlen gefunden:
Schistura sp. bei Mai Tein, Pteronemacheilus meridionalis, Schistura sp. vom Goat Chaung, Schistura vinciguerrae, Homalopteroides smithi. Die Zahl erhöht sich damit von 21 auf 26.

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