Gymnocorymbus ternetzi, der Trauermantelsalmler

von Dieter OTT, Meeder; erhalten am 05.09.2013; Überarbeitet von Ingo SEIDEL: 20.01.2014

 
Abstract: The Black skirt tetra (Gymnocorymbus ternetzi) is known in the aquarium hobby for a very long time. Dieter OTT kept this fish for the first time in the 1950s. He was able to breed this fish very early in a 15 gallon tank that he filled only with 5 gallons of tap water. The ground of the tank was covored with peat fibers and a nice pair was chosen and introduced into it. On the next morning a lot of eggs were visible, so the fish were taken out. The juveniles were fed with small food that he caught in a pond (Diaptomus a.s.o.). He could raise about 300 juveniles, that were hard to feed after a while. During two trips to Paraguay in 2001 and 2004 Dieter caught this species in the Negro River in the Departemento del Guairá Villarrica in a reminent pond with a lot of vegetation. He could measure the following water parameters: pH 6.4, conductivity 15 µS/cm; hardness 0 °dGH, 0 °KH.
 
Der Schwarze Tetra, wie der Trauermantelsalmler auch genannt wird, war einer meiner ersten Salmler. Das war in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Salmler ausgesprochene Mode waren. Wer etwas auf sich hielt, zeigte Salmler in seinen Aquarien. Als Schüler konnte ich mir keine großen finanziellen Sprünge erlauben, so dass die besonders begehrten Arten ausschieden. Zudem schien mir dieser Salmler für die ersten Versuche recht geeignet. Er war es auch, überstand alles Mögliche und zog in einem 60-Zentimeter-Aquarium seine Bahnen. Ein richtig dunkles, nahezu schwarzes Tier blieb mir in Erinnerung.In meiner jungen Ehe war in den 70er-Jahren ein Wohnzimmer-Aquarium zu besetzen. Natürlich erfüllte ich meiner Frau ihren Wunsch nach dem Feuermaulbuntbarsch, Thorichthys meeki. Ich ergänzte den Besatz mit einem kleinen Schwarm von Gymnocorymbus ternetzi, um die Cichliden mit einem Feindfisch bei dem zu erwartenden Jungfischsegen zu „Höchstleistungen“ anzustacheln. Zu dieser Zeit gab es die ersten Importe des Trauermantelsalmlers, was einen zusätzlichen Anreiz darstellte. Die Kombination funktionierte auch recht gut, allerdings blieb von den jungen Cichliden nichts übrig.

ZuchtDie Salmler gediehen bei der abwechslungsreichen Fütterung, wozu ich den Cichlidennachwuchs jetzt nicht unbedingt hinzurechne. So kam mir der Gedanke, es einmal mit der Zucht zu versuchen. Zunächst wälzte ich die Literatur, mit der mich mein Vater ausgestattet hatte. Von einem meiner ersten Lehrlingsgehälter hatte ich mir den „PINTER“ geleistet, der viele Hinweise lieferte.

Der Bau eines Laichrostes erschien mir zu umständlich. So verwendete ich für den Ansatz Torffasern, die ich locker drapierte. Das damals „übliche“ Sechziger Aquarium füllte ich zu einem Drittel mit abgestandenem Leitungswasser und setzte am Abend die Fische ein. Ich hatte mir subjektiv das schönste Pärchen ausgesucht. Das hieß: Sie leichter Bauch, also Laichansatz. Er drahtig, Typ guter Befruchter.

Abb. 01: Dunkel gefärbtes Exemplar von Gynmocorymbus ternetzi

Abb. 01: Dunkel gefärbtes Exemplar von Gynmocorymbus ternetzi

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Am nächsten Morgen war ich total überrascht: Es hatte geklappt! Am Boden lagen etliche weiße Eier. Die abgestorbenen Eier ließen auf weitere befruchtete schließen. Und tatsächlich: Beim genauen Hinsehen waren sie zu erahnen. Ich hatte das Aquarium nicht beleuchtet, weil dies dem Laich abträglich sein sollte. Sofort wurden die Fische heraus gefangen. Nun hieß es warten bis zum Freischwimmen.Dann waren die ersten Jungfische an kleinen Bewegungen zu bemerken. Das war das Signal zum Futterfang. Es klappte tatsächlich und der Nachwuchs fraß Lebendfutter aus dem letzten Sieb eines Siebsatzes. Von nun an ging es jeden Tag zum Tümpeln. Ich wohnte damals in (West-)Berlin. Mit einem Freund hatten wir Futter in einem Parkteich ausgemacht. Sogar Diaptomus waren dabei. Nach und nach zeigten sich die Jungfische im engen Schwarm. Der war nicht viel größer als eine 2-Euro-Münze. Überraschend musste ich zu einer Dienstreise nach Westdeutschland. Schnell waren mein Freund und ich uns einig. Er übernahm die Tiere für ein paar Tage und hatte zudem ein wesentlich größeres Aquarium zur Verfügung.
Abb. 02: Recht hell gefärbter Trauermantelsalmler

Abb. 02: Recht hell gefärbter Trauermantelsalmler

Aufzucht als StressAls ich zurückkam, hatten die Jungfische einen richtigen Wachstumssprung hinter sich gebracht. Wir zählten sie deshalb beim Herausfangen und waren total erstaunt. Es waren über 300 Tiere. Bei mir zu Hause zogen sie jetzt in ein größeres Aquarium ein. Der Futterfang wurde zum Wettlauf. Wir nutzten die Zeit zum Tümpeln nach Einbruch der Dunkelheit, um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erzeugen. Andererseits gingen sich die Tiere an die Flossen, wenn nicht rechtzeitig die entsprechende Menge Futter kam. Nach kurzer Zeit war ich echt genervt. Natürlich hätte ich auf Trockenfutter umstellen können. Doch mein Vereinskollege Hans-Jürgen BUSSE vom Aquarienverein „Natur im Heim“ schaffte Abhilfe. Er führte die Aquarienabteilung eines neuen, sehr gut sortierten Zoogeschäftes in Berlin-Mariendorf „Zoo Genschmer“ und übernahm die Jungfische. In einem der großen Kelleraquarien wuchsen die hoffnungsvollen Schwarzen Tetras zu ihrer verkaufsfähigen Größe heran.
Wer bei PINTER (1966 und 1998) nachliest, wird herausfinden, dass ich viele Dinge anders gemacht habe. So empfiehlt er für die produktive Art Behälter ab 100 Liter aufwärts. So groß waren jeweils meine beiden Wohnzimmeraquarien. Für die Zucht konnte ich das nicht bereitstellen. Dies war für den Ansatz und die erste Zeit nicht notwendig. Auch Chemie habe ich nicht eingesetzt. Auf den empfohlenen Trypaflavinzusatz (1998: Acriflavin) habe ich verzichtet. Und zum Glück hatten meine Fische nicht bei diesem Autor nachgelesen, sonst hätten sie sich mit dem Laichen vielleicht tatsächlich fünf Tage Zeit gelassen.

Fang in Paraguay

Die Geschichte könnte hier zu Ende sein. Für mich wurden diese Zeiten wieder sehr lebendig, als wir diese Art 2001 und 2004 in Paraguay fangen konnten. Das Vorkommensgebiet ist lange bekannt. Es ist also keine Sensation, wenn dort ein Trauermantelsalmler ins Netz geht. Bei unseren Fängen schien es, dass der Río Negro (er trennt den feuchten vom trockenen Chaco) die Verbreitungsgrenze nach Norden in dieser Region darstellt.

Wir fingen die Fische immer in Biotopen mit einem höheren Wasserstand. Am Fundort im Departemento del Guairá Villarrica an der Straße Richtung Coronel Oviedo maßen wir gegen 15.00 Uhr in einem stark bewachsenen Resttümpel mit u. a. Ludwigia helminthorrhiza, Eichhornia (ohne Blüten, deshalb nur vermutet „diversifolia“) folgende Wasserparameter: pH-Wert 6,4; elektrische Leitfähigkeit 15 µS/cm; Härte 0 °dGH, 0° KH. Der Bodengrund war morastig, das Wasser etwas trüb. Der Fundort lag in der vollen Sonne. Wir fingen neben etlichen Trauermantelsalmlern auch Aphyocharax anisitsi, Characidium sp., wenige Blutsalmler (Hyphessobrycon eques nach WEITZMAN & PALMER, 1997 oder Hyphessobrycon callistus nach ZARSKE, 2009) sowie Aphyocharax nattereri (früher A. paraguayensis). In einem Restgewässer an der Straße von Guarambaré nach Nueva Italia, drei Kilometer nach einem Steinbruch fanden wir Apistogramma borellii syntop.
Die Fangplätze wirkten wie größere Aquarien. Leider verloren wir einige Trauermantelsalmler, weil der Sohn unseres Führers sie voller Begeisterung direkt im Netz anfasste. Fische reagieren auf Verletzungen ihrer Schleimhaut sehr empfindlich.

Abb. 03: Fang des Trauermantelsalmlers in einem Restwassertümpel am Rio Negro, Paraguay

Abb. 03: Fang des Trauermantelsalmlers in einem Restwassertümpel am Rio Negro, Paraguay

Abb. 04: Fang von Apistogramma borellii und G. ternetzi in einem anderen Restgewässer

Abb. 04: Fang von Apistogramma borellii und G. ternetzi in einem anderen Restgewässer

Abb. 05: Weibchen von Apistogramma borellii mit Jungfischen

Abb. 05: Weibchen von Apistogramma borellii mit Jungfischen

Robuster Fisch

Trauermantelsalmler gelten als robuste Fische und sind es auch. Wer sich die Wasserwerte an unseren Fundorten in Paraguay ansieht, findet darin eine Erklärung, weshalb die Haltung und Zucht in härterem Aquarienwasser keine wirkliche Hürde bedeutet. Die Robustheit hat ihre Grenzen. So hat Stefan HETZ (2003) aus physiologischer Sicht Einzelheiten zur Natriumaufnahme bei geringem pH-Wert darstellt. Kritisch wurde es erst bei einem pH-Wert von fünf. Doch darin werden wir die Trauermantelsalmler in Paraguay wohl nirgends finden.

Der letzte von uns in Paraguay gefangene Trauermantelsalmler starb im Aquarium nach etwas mehr als acht Jahren.

Noch ein Wort zur systematischen Einordnung

Die Gattung Gymnocorymbus wird als Anpassung einiger hoch gebauter Moenkhausia bis hin zu einem diskusförmigen Körper verbunden mit einer nackten prädorsalen Region angesehen (GÉRY, 1977). Auf die verwandtschaftlichen Beziehungen zu Moenkhausia geht BENINE in seiner Erstbeschreibung von Moenkhausia levidorsa im Jahr 2002 ein und stellt fest, dass diese Art nach den bisherigen Definitionen für Gymnocorymbus dieser Gattung zugeschrieben werden könnte. Er führt jedoch einige Merkmale an, die ihn zur Einordnung bei Moenkhausia veranlasste.

Insgesamt erscheint mir seine Abhandlung als Hinweis, dass die Gattungseinordnungen neu und treffender definiert werden sollten, denn auch Astyanax BAIRD & GIRARD und Jupiaba ZANATA tragen laut GÉRY u. a. eine nackte prädorsale Region.

Vielleicht können wir Aquarianer dazu entscheidende Hinweise geben. Ich erinnere an die Aufzeichnungen zum Paarungsverhalten, die STALLKNECHT (1994) schon früh in die Diskussion um die Gattungszugehörigkeit eingebracht hat. Bei Gymnocorymbus ternetzi ist jedenfalls eine Flatterphase des Männchens neben dem Weibchen kurz vor der Paarung auffällig, die bei den untersuchten Gattungen nicht auftauchte. BSSW-Mitglieder könnten hier noch einiges ergänzen.

Literatur:

BENINE, R. C. (2002): Moenkhausia levidorsa, a new species from Rio Aripuana, Amazon Basin Brazil (Characiformes: Characidae). Ichthyol. Explor. Freshw., 13(4): 289-294.

GÉRY, J. (1977): Characoides of the World. T.F.H. Publications.

HETZ, S. (2003): Weichwasserfische und ihre Probleme. Aquaristik-Fachmagazin, 171: 109-110.

LÜLING, K. H. (1977): Zierfische vom Rio Paraná. Aquarien Magazin, 11(6): 238-242.

PINTER, H. (1966): Handbuch der Aquarienfischzucht. Kernen Verlag, Stuttgart.

PINTER, H. (1998): Handbuch der Aquarienfischzucht. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

REITZIG, W. (1977): Der Schleier ist gelüftet: Der „reitzigi“ stammt aus dem Rio Paraná. Aquarien Magazin, 11(7): 288-289.

STALLKNECHT, H. (1994): Man nennt sie Salmler. Tetra Verlag.

WEITZMAN, S. H. & L. PALMER (1997): A new species of Hyphessobrycon (Teleostei: Characidae) from the Neblina region of Venezuela and Brazil, with comments on the putative „rosy tetra clade“. Ichthyol. Explor. Freshw., 7(3): 209-242.

ZARSKE, A. (2009): Blutsalmler – eine historische Bestandsaufnahme. Aquaristik-Fachmagazin, 41(1): 4-22.

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