Klassiker: Ein wenig Polemik um Tanichthys albonubes Lin, 1932

von Martin Grimm, Leipzig – erschienen im BSSW Report 4-2009

Imponierende Männchen von Tanichthys albonubes

Imponierende Männchen von Tanichthys albonubes

 

Abstract: Everybody should have kept or at least know Tanichthys albonubes. This small chinese barb is easy to keep in cold water and in summer even outside. The species is highly threatened in natural biotopes due to enviromental destruction. Chan & Chen discovered a new population on Hainan Island in 2009. The population shows different fin colour (orange edges) than the last illegal import to Germany with wide yellow edges. Although (or because of?) the species is so easy to keep and breed, nobody seems to be really interested in. The white cloud mountain minnow deserves more attention!

 

 

Jeder, der sich schon etwas länger mit Aquaristik beschäftigt, kennt sie: die Kardinalfische oder auch etwas herabwürdigend ,Arbeiterneon“; ,white cloud mountain minnow“ heißen sie im Englischen. Kennt jeder, hat jeder schon mindestens einmal gehabt; außerdem schwimmen sie in jedem Zoogeschäft. Leicht nachzuzüchten, anspruchslos – langweilig?

Vor ein paar Jahren erzählte Hans EVERS (2006) die traurige Geschichte einiger Tausend Tanichthys, die aus einem Container konfisziert wurden. Zusammen mit einer Plastikpflanze waren sie in kleine Gläser eingepfercht, in denen sie verkauft werden sollten. Und weil man davon ausging, dass sowieso nicht alle durchkommen, schickte man noch einen Sack voll Fische zusätzlich mit. Neben ungezählten Toten lebte aber auch noch eine ganze Menge; sie zeichneten sich aus durch breite gelbe Flossensäume und kräftige Farben. Seien es Wildfänge vom Weißen Wolkenberg oder auch nur Nachzuchten aus einer Züchterei – hübsch waren sie allemal und eine Geschichte dazu gab es auch noch. Hans Evers erhielt einige der Tiere und kümmerte sich um sie.

[private role=“subscriber“ alt=“Um den ganzen Beitrag sehen zu können müssen Sie sich mit Ihrem Mitglieds-Konto an der Webseite anmelden.„]Es ist zurzeit nicht möglich, ,sichere“ Wildfänge zu erhalten. Seit den 1980er Jahren war kein natürlicher Fundort mehr bekannt; die Art wurde vom Weißen Wolkenberg, Guangzhou City, im Süden Chinas beschrieben, wo sie immer noch vorkommt. Weitere Fundorte lagen alle zwischen dem 21 und 24 nördlichen Breitengrad. Mit der Entdeckung einer Population auf Hainan Island erstreckt sich das Verbreitungsgebiet noch um weitere drei Breitengrade nach Süden. Genauere Fundortdaten werden aufgrund der Gefährdung der Art in natura – neben Raubbau hauptsächlich durch Umweltzerstörung – nicht bekannt gegeben (CHAN & CHEN 2009). Gesicherte weitere Vorkommen gibt es in Nordvietnam, im südlichen China und – durch Faunenverfälschung – wenigstens auf Madagaskar und in den USA.

Wahrscheinlich ist es falsch, von ,dem“ Kardinalfisch zu sprechen. Dies gilt zum einen taxonomisch. WEITZMAN & EVERS (1998) haben die Geschichte ausführlich erzählt. Zum anderen gibt es aber auch in der Aquaristik Populationen mit hellen und dunklen Flossensäumen. Während die ,Containerfische“ durch breite, gelb leuchtende Säume auffallen, zeigt die Population von Hainan offenbar orangefarbene Säume. Im Handel gibt es verschiedene Formen mit dunklen Flossen oder auch schmaleren hellen Streifen. Wer es ernst meint, sollte also darauf achten, die verschiedenen Formen nicht zu vermischen.

Ernst meinte ich es auch; schließlich brauchte ich wieder einmal ein paar Fische für den Steinbottich meiner Großmutter. Sollte ja kein Problem sein, dachte ich. Hans hatte mir erzählt, er hätte einige 100 Tiere nachgezüchtet und verteilt. Ich fragte erfolglos, bis ich mir einen kleinen Schwarm direkt aus Hamburg mitbrachte. Ohne große Probleme vermehrte ich die Tiere zuerst im reichlich mit Moos bewachsenen Aquarium bei Zimmertemperatur, später draußen. Wasserwerte sind in normalen Grenzen nahezu bedeutungslos, nur zu warm sollte es langfristig nicht sein. Im Daueransatz ist es kein Problem, eine stabile Population zu erhalten. Wer mehr als das braucht, sollte die Jungfische absammeln und mit passendem kleinem Futter (Artemia, Cyclops, Staubfutter aus der Dose oder Kaffeeweißer von Aldi) aufziehen. Die Jungfische werden zwar nicht aktiv gejagt; fehlt es aber an ausreichend Futter, verhungern entweder die Kleinen oder sie werden doch gelegentlich von den Eltern gefressen.

Im Juni 2009 schwimmt die vierte Generation im Garten. Die Kardinäle sind unverändert hübsch gezeichnet und haben trotz des kalten Frühsommers schon wieder Nachwuchs. Je nach Wetterlage und meiner Zeit werden sie dort bis Ende September, Mitte Oktober bleiben. Es ist kein Problem, die Tiere einige Tage unter Eis schwimmen zu lassen; im Süden Deutschlands würde es sicher auch ganzjährig draußen funktionieren. Im Winter hält man sie am besten im unbeheizten Zimmeraquarium mit wenigstens 50 Liter Volumen oder auch im Keller.

Alles ganz simpel? Kann doch jeder? Dann versuchen Sie doch mal, Nachzuchten aus diesem ,Import“ zu bekommen. Wenn Sie welche haben, dann kümmern Sie sich ein paar Jahre drum.

Literatur:

Chan Bosco Pui Lok & Chen Xiang-lin. Discovery of Tanichthys albonubes Lin 1932 (Cyprinidae) on Hainan Island, and Notes on Its Ecology. Zoological Research 2009, 2: 209-214.

Evers H. G. Eine chinesische Odyssee – die Kardinälchenstory. Amazonas 2006, 2: 58-59.

Weitzman S. H. & H. G. Evers. Zur Geschichte von Tanichthys albonubes und Hemigrammocypris lini. Aquaristik Fachmagazin 1998, 144: 40-46.[/private]

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