Am 05. April hielt Ingo SEIDEL in einer Kooperation der IG BSSW RG-Südbayern mit den Aquarienfreunden Dachau/Karlsfeld und dem VDA Bezirk 12 in Dachau einen Vortrag über die Panzerwelse der Gattung Corydoras und die zu erwartenden Änderungen in der Systematik.
Erwähnenswert ist zunächst die erfreulich hohe Resonanz. Es waren ca. 60 Zuhörer anwesend, der Veranstaltungsraum war bis auf den letzten Platz besetzt. Eine sehr hohe Teilnehmerzahl für einen fachlich doch sehr spezialisierten Vortrag.
Die Panzerwelse der Gattung Corydoras (mit den nahe verwandten Gattungen Brochis und Aspidoras) sind eine riesige Gruppe, die mittlerweile mehrere hundert Arten und eine bisher noch gar nicht abzusehende Zahl von noch nicht beschriebenenen Arten umfasst. Es werden ständig neue Arten entdeckt und auch hinter der einen oder anderen vermutlichen Art verstecken sich wohl mehrere, so dass die Zahl der Arten wohl noch deutlich zunehmen wird. Panzerwelsspezialisten ist schon länger klar, dass es innerhalb dieser großen Gattung Gruppen gibt, die sich in Biologie, Herkunft und Verhalten deutlich unterscheiden, so dass es Sinn macht, dies über eine Auftrennung auch abzubilden.
Schon seit 2011 ist auch durch genetische Untersuchungen bekannt, dass sich die Panzerwelse in 9 verschiedene Abstammungslinien auftrennen lassen. Seitdem hat sich aber kein Wissenschaftler die Mammutaufgabe einer kompletten Revision der Gattung zugetraut. Aktuell liegt jedoch die Arbeit von Louiz TENCATT, eines jungen brasilianischen Wissenschaftlers vor, der sich an dieses Werk herangetraut hat. Die Arbeit ist noch im sogenannten Review-Prozess, also noch nicht zitierfähig veröffentlicht, die Panzerwels-Freaks werden hier aber dringend darauf warten.
Wie schon erwähnt, lassen sich 9 Abstammungslinien unterscheiden. Ingo stellte in seinem Vortrag die neun Linien mit Beispielen vor und erläuterte die Unterschiede in Verhalten und den biologischen Ansprüchen, die sich dann auch für die Pflege im Aquarium umsetzen lassen.
Linie 9 – die sog. C. punctatus Gruppe, für diese Gruppe existiert schon der Gattungsname „Hoplisoma“, aktuell noch ein Synonym.
Hier sind ausschließlich Rundschnäuzer zu finden. Es handelt sich um friedliche Gruppentiere, die nicht zu starke Strömung und einen feinkörnigen Bodengrund bevorzugen. Die Geschlechter lassen sich dadurch unterscheiden, dass die Männchen zierlicher sind und eine höhere Rückenflosse haben. Die Bauchflossen sind bei den Weibchen abgerundet und bei den Männchen eher spitz zulaufend. Zu beachten ist, dass diese Merkmale ausserhalb der Laichzeit schwächer ausgeprägt sein können. Wie bei den meisten Panzerwelsen lässt sich das Ablaichen durch einen Wasserwechsel mit kühlerem Wasser auslösen. Das Ablaichen der Panzerwelse erfolgt dann altbekannt in der sog. T-Stellung, in der das Weibchen senkrecht zum Männchen steht, und die mit den Bauchflossen des Weibchens festgeklammerten Eier befruchtet werden. Die befruchteten Eier werden dann portionsweise abgesetzt, die Aufzucht der Jungen ist meist unproblematisch.
Generell gab Ingo noch den Rat, Panzerwelse nicht dauerhaft zu gut zu füttern, da die Tiere dann unproduktiv werden.
Spektakulär in dieser Linie ist der CW111, bei dem einzelne Tiere im Import anfänglich bis zu 600 € gekostet haben.
Linie 8 – die langschnäuzigen Panzerwelse
Diese Linie teilt sich weiter auf in 4 Gruppen:
Gruppe 1 – die Gattung Brochis
Die Arten der Gattung Brochis unterscheiden sich deutlich von allen anderen Panzerwelsen. Sie sind die größten Panzerwelse und werden bis zu 20 cm groß. Außerdem haben sie 12-20 weiche Rückenflossenstrahlen, was sie von allen anderen Panzerwelsen unterscheidet. Aktuell wird die Gattung offiziell als Synonym von Corydoras betrachtet, es ist aber zu erwarten, dass Brochis wieder den Status einer eigenen Gattung bekommt. Am häufigsten trifft man aus dieser Gruppe wohl die Art B. splendens an. Die Tiere stammen aus Gewässern mit hohen saisonalen Schwankungen, also einer Trockenzeit in der die Gewässer stark schrumpfen und das Nahrungsangebot aufgrund der dann teilweise extrem hohen Fischdichte dramatisch sinkt und einer Regenzeit, in der sich die Wasserwerte durch hohe Regenfälle zu niedrigeren Leitwerten und pH Werten verändern und das Nahrungsangebot erheblich besser ist. Generell bevorzugen Brochis langsam fließende Gewässer und sind ebenfalls sehr friedlich. Aufgrund der zu erreichenden Endgröße sind jedoch größere Aquarien erforderlich, auch bei der Zucht sollte man bedenken, dass die Zahl der Jungtiere sehr hoch sein kann, was einen bei der Beschaffung von Futternachschub in Verlegenheit bringen kann. Die Jungtiere sind allerdings sehr hübsch und sehen mit ihren hohen Rückenflossen ganz anders aus als die Alttiere.
Gruppe 2 – Arten um C. garbei
Bei den Arten um C. garbei handelt es sich um langschäuzige Panzerwelse mit einem Verbreitungsschwerpunkt an der brasilianischen Ostküste, die aquaristisch bisher wenig in Erscheinung getreten sind.
Ähnlich wie bei den Brochis handelt es sich hier um sehr friedliche Panzerwelse, die keine starke Strömung benötigen. Sehr ausgeprägt ist hier jedoch die Saisonalität, also der Wechsel zwischen einer Trockenzeit mit hohen Leit- und pH-Werten und ebenfalls höheren Tempperaturen und gleichzeitig sehr niedrigem Nahrungsangebot und einer Regenzeit, in der dann in der Regel auch abgelaicht wird. Ohne die Simulation einer Trockenzeit von 2-3 Monaten bekommt man Tiere aus dieser Gruppe kaum zum Ablaichen.
Gruppe 4 – Arten um C. imitator
Typische Vertreter dieser Gruppe sind neben C. imitator auch C. ambiacus und C. robustus. Es handelt sich um größere Panzerwelse, die bis zu 10 cm groß werden können. Sie gehören zu den spitzschäuzigen Formen und bevorzugen stärkere Strömung. Bei der Pflege im Aquarium ist dies, neben der Beckengröße, zu beachten. Bei der Nachzucht hat sich leider gezeigt, dass die Jungfische dieser Artengruppe sehr stressempfindlich sind. Man sollte gerade bei Wasserwechseln also sehr vorsichtig vorgehen.
Zwischen den Vetretern dieser Gruppe und den Tieren der Abstammungslinie 9 kommt es zur gegenseitgen Mimikri. Gut bekannte Beispiele sind die Kombinationen C. oiapoquensis und C. condiscipulus sowie C. trilineatus und C. leopardus, die jeweils gerne in gemischten Schwärmen auftreten. Man muß dann schon sehr genau hinschauen um die langschnäuzigen von den kurzschnäuzigen Tieren der Linie 9 zu unterscheiden.
Linie 7 – die sog. C. aeneus Gruppe, für diese Gruppe existiert schon der Gattungsname „Osteogaster“, aktuell noch ein Synonym.
Hier handelt es sich um mittelgroß werdende Arten, die eine geringe Strömung bevorzugen. Hinter der „Art“ C. aeneus, so wie sie im Zoohandel angeboten wird, verstecken sich wohl verschiedene Arten, so dass hier in Zukunft noch eine Aufspaltung zu erwarten ist. Interessant ist die Bandbreite der Wasserwerte, in denen Vertreter dieser Linie vorkommen. Während C. aeneus im Weiß- und Klarwasser vorkommt, tritt im Gegensatz dazu CW023 bei pH 4.8 im Schwarzwasser auf. Die Tiere dieser Linie sind friedliche und gesellige Tiere und auch die Schwarzwasserarten lassen sich im Aquarium in hartem Wasser halten.
Linie 6 – die sog. C. paleatus Gruppe
Mit C. paleatus findet sich in dieser Linie der wohl bekannteste Panzerwels. Aufgrund ihrer südlichen Verbreitung benötigen sie kühlere Temperaturen und eignen sich somit sehr gut für ein ungeheiztes Aquarium. Die über zig Generationen gezüchteten Tiere aus dem Zoohandel sind allerdings auch schon gut angepasst an regelgeheizte Becken. Ein Nebeneffekt der Massenzucht, wie man den auch immer sehen mag, ist, dass von C. paleatus auch Schleier- und Albinoformen existieren. Auch die Tiere dieser Linie sind friedlich und gesellig und lassen sich im Aquarium in hartem Wasser halten. Typisch für diesen Formenkreis ist, dass die Männchen manchmal eine höhere Rückenflosse ausbilden.
Linie 5 – die sog. C. elegans Gruppe, für diese Gruppe existiert schon der Gattungsname „Gastrodermus“, aktuell noch ein Synonym .
Auch hier handelt es sich um sehr friedliche Panzerwelse, die keine starke Strömung benötigen. Sehr attraktiv aus dieser Linie ist C 123 aus Peru mit gelben Flossen. Bei der Zucht von Tieren aus dieser Linie ist zu beachten, dass die Eier und Jungfische sehr klein sind. Im Gegensatz zu fast allen anderen Panzerwelsen lassen sich einige davon nicht gleich mit Artemia anfüttern sondern brauchen zunächst feineres Staubfutter. Ingo verwendet hier ganz unkompliziert die Mikrofauna eines ausgedrückten Filterschwamms, aber auch im Handel erhältliche feine Futterarten wie Liquifry eignen sich.
Linie 4 – die kleinen Panzerwelse um C. hastatus, für diese Gruppe existiert schon der Gattungsname „Micro-Corydoras“, aktuell noch ein Synonym.
In dieser Linie finden sich mit C. hastatus und C. pygmaeus die gut bekannten Zwergpanzerwelse. Typisch ist für diese Tiere, dass sie sich im Gegensatz zu anderen Panzerwelsen freischwimmend bewegen und nicht so bodengebunden sind. Dementsprechend mögen sie ebenfalls keine allzu starke Strömung. Die sehr geselligen Tiere lassen sich gut im Daueransatz vermehren, da sie nicht „auf Kommando“ ablaichen sonden ihre Eier in mehreren kleinen Portionen über mehrere Tage abgeben. Ein gut mit Javamoos befülltes Becken liefert hier auf Dauer eine gute Ausbeute an Jungfischen.
Linie 3 – die Gattung Scleromystax
Bei den Tieren der Scleromystax-Linie finden sich groß werdende Panzerwelse, die alle aus ostbrasilianischen Küstenflüssen stammen. Sie bevorzugen kühlere Temperaturen, die hinunter bis 18°C gehen können, und stärkere Strömung. Aufgrund Ihrer Größe, die deutlich über 10 cm gehen kann, sollten sie auch nur in geräumigen Becken gepflegt werden. Bei diesen Arten gibt es einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus, die Männchen sind in der Regel intensiver gefärbt und tragen einen Backenbart. Die Männchen sind größtenteils etwas territorial, so dass man nur in größeren Aquarien mehrere Männchen gemeinsam pflegen sollte. Gerade die geschlechtsreifen Männchen von S. barbatus sind eine echte Pracht und zählen mit zu den beeindruckendsten Panzerwelsen.
Linie 2 – die Gattung Aspidoras
Bei den sogenannten Schmerlenpanzerwelsen, handelt es sich um kleinbleibende, friedliche Tiere, die es nicht zu warm mögen. Die Temperatur sollte so bei 20-26°C liegen und sie mögen eine etwas stärkere Strömung. Typisch für die Panzerwelse dieser Linie ist die Schwimmweise, die Tiere hüpfen über Boden und zwischen Steinen, was vermutlich eine Anpassung an stärkere Strömung darstellt. Die Zucht ist meist relativ einfach. Erwähnenswert ist noch, dass ausgerechnet die in der Aquaristik weitverbreitete Art A. pauciradiatus anscheinend gar kein Aspidoras ist sondern eher der Linie 5 zuzuordnen ist.
Linie 1 – die sog. C. acutus Gruppe (die Corydoras im engeren Sinne)
Last but not least ging es um die Corydoras, die nach der oben genannten Revision wohl ihren Gattungsnamen behalten werden, die „eigentlichen“ Corydoras. Es handelt sich hier um große, robuste Sattelschnäuzer. Typisch für diese Linie ist, dass es innerartlich eine hohe Variabilität bei der Färbung gibt. Noch etwas stärker als bei Scleromystax sind die Männchen sehr territorial, so dass man in kleineren Aquarien nur ein Männchen pflegen sollte. Dementsprechend sollten die Becken auch größer sein. Die Tiere mögen eine leichte Strömung. Bei der Zucht ist zu beachten, dass die Panzerwelse dieser Linie ihre Eier verstecken. Die Aufzucht der Jungfische ist dann wieder unproblematisch. Um die Tiere zum Ablaichen zu bringen, sind größere Wasserwechsel das probate Mittel.
An dieser Stelle sei Ingo nochmals für den interessanten Vortrag gedankt. Auch wenn die Vielfalt innerhalb der Panzerwelse nicht so groß ist, wie z. B. bei den Schmerlen, wurde jemand, der bisher gedacht hatte, bei den Panzwerwelsen gilt „kennst Du einen, kennst Du alle“, hier eines Besseren belehrt. Die Bandbreite der unterschiedlichen Arten ist doch sehr groß und lohnt, sich näher mit dieser Gruppe zu beschäftigen.
Text: Hans BEIUDERBECK – Bilder: Tanja BADER & Sepp LOCHNER