Ancistrus sp. „L 327“
Zum Höhepunkt der L-Wels-Manie kamen aus dem Rio Jari zahlreiche neue Harnischwelse, die umgehend mit L-Nummern belegt wurden. In DATZ 08/2002 wurde mit L 316 die erste und sogleich eine der populärsten Formen vorgestellt und in DATZ 10/2003 folgte mit L 344 bereits die elfte Vergabe an eine Ancistrus sp., die sich nie in der Aquaristik etablieren konnte. So erging es leider fast allen Arten aus dieser Zeit, und heute trifft man vereinzelt nur noch auf L 316 und L 318. In DATZ 12/2007 folgten mit Hypancistrus sp. L 410 und H. sp. L 411 nochmal zwei Formen, die sich vor allem aufgrund der großen Beliebtheit der Gattung im Allgemeinen vorerst bei Züchtern ein Becken sichern konnten. Aber auch hier war der Erfolg nicht von Dauer, denn aus dem Rio Xingu (Brasilien) kamen zunehmend wunderschöne Hypancistrus, die optisch neue Maßstäbe setzten und viele der ehemalig häufig gepflegten Formen und Arten der Gattung an den Rand drängten.
Der Rio Jari fließt in südlicher Richtung im Nordosten Brasiliens und bildet die Grenze des südlich sowie westlich von ihm gelegenen Bundesstaates Pará und dem östlich gelgenenen Amapá. Er mündet nach 790 km östlich der Mündung des Rio Xingu in den Amazonas.
Ich staunte Anfang Juni 2023 nicht schlecht, als ich in Bergen (Norwegen) einen Zooladen mit Ancistrus sp. L 327 fand, zumal ich wusste, dass Haakon Haagensen für die Aquaristikabteilung des Geschäfts verantwortlich ist und er nicht irgendeine Händlerbezeichnung oder Phantasienamen übernehmen würde. Die Tiere sahen genau so aus, wie L 327 auszusehen haben, wenn man das Originalbild aus dessen Vorstellung in der DATZ zum Vergleich nimmt. Eine schwarze Grundfärbung mit weißen Punkten ist zwar häufig in der Gattung zu finden, aber L 327 ist dazu etwas flacher gebaut, wirkt zudem schmaler und zierlicher. Laut Vorstellung in der DATZ soll die Art nur 8-10 cm Totallänge erreichen, was mir nun durchaus plausibel erscheint. Schon die 5-6 cm messenden Tiere in dem Verkaufsbecken zeigten geschlechtsspezifische Merkmale und machten keinen juvenilen Eindruck mehr.
Im Laufe des Tages kamen wir auf diese gepunktete Besonderheit zu sprechen und natürlich war schnell Thema, dass es schon komisch sei, diese eine Art plötzlich vor sich zu haben, während lange keine Harnischwelse aus dem Jari im Handel waren. Kurzum: Wir riefen bei Mikael Hakansson in Vara (Schweden) an. Hier hat der Großhändler Imazo seinen Sitz, von dem die meisten skandinavischen Händler ihre Fische beziehen. Mikael hatte die Ancistrus importiert, und zwar von Janne Ekström, der wiederum für Arapaima Brazil arbeitet, den aktuell größten Exporteur von Süßwasserfischen ain Brasilien. Nach einem kurzen Austausch bestätigte uns Janne dann, dass es sich tatsächlich um Fänge aus dem Rio Jari handelte. Dort gibt es mittlerweile nur noch einen einzigen verbliebenen Fischfänger, der ihm gelegentlich Fische für den Export anbietet. Die geringe verfügbare Stückzahl sicherte sich daraufhin der schwedische Großhändler und nun bietet sich erneut die Möglichkeit die Art in der Aquaristik zu halten. Ein schwieriges Unterfangen, denn für den gewöhnlichen Aquarianer sieht die Art aus wie viele andere. Mit Ancistrus dolichopterus (L 183) und A. sp. „L 213“ bietet allein Haakon schon drei ähnliche Arten an, die auf den ersten Blick alle gleich aussehen.
Text und Bild: Daniel Konn-Vetterlein